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Skar schüttelte den Kopf. »Nichts. Zumindest nichts, woran ich
sie hindern könnte.« Er lachte; es war ein bitteres, metallisches
Geräusch, das an den feuchten Wänden spöttische kleine Echos
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hervorrief.
Du hast verloren, Skar, wisperte eine Stimme in ihm, aber er
wußte, daß es nicht wirklich sein Dunkler Bruder, sondern nur die
Stimme seiner Einbildung war, etwas, das er hörte, weil er es hö-
ren wollte. Der Kreis schließt sich. Du bist mit dem Gift in Berüh-
rung gekommen, als du die Höhlen unter der Nonakesh betreten
hast, aber es wirkt langsam.
»Wer bist du, Skar?« fragte Gowenna.
»Wer ich bin?« Skar schwieg einen Moment. »Ich wollte, ich
wüßte es. Ich weiß nur, daß ich nicht tun werde, was sie von mir
verlangt.«
»Doch, Skar«, widersprach Gowenna. »Das wirst du. Du willst
es nicht, aber du wirst es tun. Man kann dieser Frau nicht wider-
stehen. Niemand kann es.«
Diesmal antwortete Skar nicht.
Erneut senkte sich Schweigen über sie, eine Stille ganz besonde-
rer Art, jene Stille, in der man schreien, toben, irgend etwas tun
will, es aber nicht kann. Wie in einem Alptraum, in dem man dazu
verdammt ist, zuzusehen, alles mit sich geschehen zu lassen,
hockte Skar da und war sich seiner Hilflosigkeit bewußt. Und er
spürte, wie das dünne Gefühl von Haß in seinem Inneren wuchs,
wie der Panzer aus Willenskraft und Selbstbeherrschung, den er
über die Abgründe seiner Seele gestülpt hatte, brüchig wurde.
Noch hielt er, aber Skar spürte bereits, wie das furchtbare Ding in
ihm kräftiger wurde.
An der Tür entstand ein Geräusch. Der Riegel wurde zurückge-
schoben. Ein schmaler Lichtstreifen fiel in die Zelle, dann huschte
eine gebückte, zwergenhafte Gestalt zu ihnen herein.
Skar musterte den Zwerg kalt. »Was willst du?« fragte er.
»Schickt dich Vela?«
Tantor zog hastig die Tür hinter sich zu, eilte zu ihnen herüber
und ließ sich vor Skar auf die Knie sinken. »Hör jetzt auf«, zischte
er leise, als hätte er selbst hier drinnen Angst, belauscht zu wer-
den. »Wir haben nicht viel Zeit. Hört mir zu.«
Skar verzog spöttisch die Lippen. »Du kannst ruhig laut reden«,
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sagte er abfällig. »Vela weiß alles. Sie weiß, daß du mich« - er be-
tonte die Worte auf ganz eigene Art - »ins Vertrauen gezogen
hast.«
Tantor schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich weiß«, sagte er ge-
hetzt. »Und deshalb bin ich hier. Ihr müßt fort!«
»Sicher«, sagte Skar. »In einer Stunde, oder -«
»Unsinn«, unterbrach ihn Tantor. »Ihr müßt fliehen, Skar. Aus
dieser Festung gibt es kein Entrinnen, aber auf dem Weg nach
Cosh wird sich eine Gelegenheit bieten.«
Skar schwieg, doch Tantor schien seinen Blick richtig zu deu-
ten. »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte er. »Aber so, wie die
Dinge liegen, hast du gar keine andere Wahl, als mir zu vertrauen.
Ich helfe euch.«
»Du?« fragte Skar überrascht. »Du willst uns helfen? Warum
denn?«
»Du kennst die Gründe.« Tantor sprach schnell, gehetzt. Sein
Blick irrte immer wieder zur Tür, und seine Hände vollführten
kleine nervöse Bewegungen unter seinem Cape. »Sie ist wahnsin-
nig. Und sie wird erreichen, was sie will, wenn du länger in ihrer
Nähe bist, Skar. Ich weiß nicht, wie du es hältst, aber ich will nicht
sterben, und ich will auch nicht zu einem lebenden Toten werden
wie ihre Krieger. Sie ... sie weiß, daß ich sie hintergangen habe,
und sie wird mich dafür bestrafen. Wenn du länger in ihrer Nähe
bist, wird ihre Macht ins Unermeßliche steigen.«
»Und wie soll das vonstatten gehen?«
»Laßt das meine Sorge sein«, antwortete Tantor. »Ich war be-
reits bei den Sumpfleuten und habe sie über meinen Plan infor-
miert. Er ist riskant, aber wir haben nichts zu verlieren.«
Gowenna setzte sich mühsam auf. »Und welche Bedingung
knüpfst du daran?« fragte sie. Ihre Stimme klang plötzlich ganz
ruhig, aber Skar entging der angespannte Unterton in ihren Wor-
ten nicht.
»Nur eine«, sagte Tantor. »Ihr nehmt mich mit. Allem wird es
keinem von uns gelingen, zu entkommen. Zusammen haben wir
eine Chance.«
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Skar nickte. »Dein Vorschlag hört sich gut an. Aber er hat einen
Fehler - ich traue dir nicht.«
Tantor lachte. »Das ist dein Problem, Skar. Aber ich wüßte
nicht, was du verlieren könntest - außer deinem Leben. Und
glaube mir - wenn du bei Vela bleibst, wirst du bald nach dem Tod
schreien.« Er zögerte, griff unter sein Cape und drückte Skar ei-
nen flachen Lederbeutel in die Hand. »Nimm das«, sagte er, »und
versteck es gut. Sie wird dich in Ketten legen lassen. Wenn ich dir
das Zeichen gebe, streust du den Inhalt auf das Metall und zählst
bis hundert. Danach wird das Eisen für kurze Zeit brüchig wer-
den, so daß du die Ketten sprengen kannst.«
Skar drehte den Beutel mißtrauisch in den Händen. »Was ist
das?« fragte er. »Wieder eines von deinen Zaubermitteln?«
»Ich bin sowenig Zauberer wie du«, knurrte Tantor. »Ich ver-
stehe nur ein wenig mehr vom Aufbau der Dinge. Und jetzt frag
nicht weiter. Ich muß weg.«
Er wollte aufstehen und gehen, aber Skar hielt ihn mit einem ra-
schen Griff am Umhang zurück.
»Auf ein Wort noch, Tantor«, sagte er.
Der Gnom knurrte ungeduldig und versuchte sein Cape loszu-
reißen, aber Skar hielt weiter fest. Der Stoff ächzte hörbar.
»Was?«
»Was geschieht, wenn unsere Flucht fehlschlägt - falls wir uns
entschließen, zu flüchten?«
»Was soll geschehen? Sie wird uns alle töten. Mit Ausnahme
von dir, vielleicht.«
»Und trotzdem hilfst du uns?«
»Quatsch«, sagte Tantor. »Ich helfe mir, Satai. Ich will weg von
ihr, aber allein habe ich keine Chance. Der einzige Grund, aus
dem ich euch helfe, ist, weil ihr mir helfen müßt. Ihre Krieger wür-
den mich fassen, lange bevor ich irgendeine Stadt oder einen an-
deren sicheren Ort erreichen könnte. Die einzige Sicherheit im
Umkreis von hundert Tagesritten bilden die Sümpfe von Cosh.
Und ohne die beiden Sumpfbrüder hätte ich wohl keine große
Aussicht, sie lebend zu durchqueren. Und die gehen nun einmal
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nicht ohne euch. Und jetzt laß los!«
Skar schüttelte abermals den Kopf. »Noch eine Frage, Tantor«,
sagte er. »Warum dieser plötzliche Aufbruch?«
»Es ist kein Aufbruch«, murmelte Tantor. »Sie flieht.«
»Flieht?« wiederholte Skar verblüfft. » Vela flieht? Vor wem?«
»Das weiß ich sowenig wie du, Skar«, antwortete Tantor.
»Doch bei Sonnenaufgang kam eine unserer Patrouillen zurück.
Sie waren zu sechst, als sie aufbrachen, und nur zwei kehrten zu-
rück. Ich weiß nicht, welche Kunde sie brachten - Vela ließ sie so-
fort zu sich bringen, und seither sind sie verschwunden. Aber kurz
darauf begann sie mit den Vorbereitungen für den Abmarsch.«
»Vela flieht...«, wiederholte Skar nachdenklich. »Aber vor...«
»Vielleicht vor diesen Kreaturen, auf die wir unterwegs gesto-
ßen sind«, vermutete Gowenna.
Tantor riß sein Cape nun endgültig los und wich mit zwei
schnellen Schritten zur Tür zurück. »Wohl kaum«, sagte er. »Ich
weiß sowenig wie ihr, welcher Gegner fähig sein sollte, Vela und
ihrem Drachen Angst einzujagen. Und ich hoffe bei allen Göttern,
die die Menschen Enwors jemals angebetet haben, daß ich es nie-
mals herausfinde.« Damit wandte er sich endgültig um und verließ
die Zelle. Der Riegel rastete ein, und die Schritte des Zwerges ver-
klangen draußen auf dem Gang.
Skar drehte den Lederbeutel, den ihm Tantor gegeben hatte,
unentschlossen in der Hand. Nach einer Weile kroch er - ohne
sich die Mühe zu machen, für die drei Schritte aufzustehen - auf
Händen und Knien zu Gowenna zurück.
»Was hältst du davon?« fragte er.
»Wovon? Von Velas Flucht oder von Tantors Angebot?«
»Von beidem«, murmelte Skar. »Mir erscheint das eine so un-
glaubhaft wie das andere.«
»Ich glaube nicht, daß es eine Rolle spielt, was ich oder du da-
von halten«, antwortete sie. »In einem hat Tantor recht - wir ha-
ben nichts zu verlieren. Vielleicht ist es ein neuer Trick von ihr,
vielleicht nicht.«
»Ein neuer Trick? Du meinst - uns entkommen zu lassen, nur
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um uns später wieder einzufangen?«
»Warum nicht? Sie liebt grausame Spiele.« Gowenna stockte,
sah an Skar vorbei in das blakende Feuer der Fackeln und tastete
mit einer unbewußten Bewegung nach Skars Hand. Ihre Haut war
kalt und trocken, und obwohl ihre Stimme in den letzten Minuten
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